Hélène Grimauds thematisches Programm, das der vielfältigen Schönheit des Wassers gewidmet ist, hat zwei ganz unterschiedliche Künstler – Douglas Gordon und Nitin Sawhney – angeregt, gemeinsam mit der Pianistin an zwei packenden, einander ergänzenden Projekten zu arbeiten.
Wasser inspiriert die Künstler seit Jahrtausenden. Das Element steht für Wiedergeburt und Neubeginn, ist Sinnbild für das Grenzenlose und Unsterbliche, für Anfang und Ende aller irdischen Dinge. Ohne Wasser gäbe es kein Leben. Seit Menschengedenken wird Wasser mit heilender Kraft und Weisheit verbunden, es ist ein Symbol der sich wandelnden Natur, der Unbeständigkeit, des unaufhörlichen Fließens. Hélène Grimauds neustes Album, das von der Planung bis zur Fertigstellung drei Jahre in Anspruch nahm, ist inspiriert von dieser Gabe der Natur und eröffnet eine neue Dimension für das, was die Pianistin mit klassischer Musik transportieren möchte. Water bietet eine schöpferische Auseinandersetzung mit den Manifestationen des Wassers, von gewaltigen Ozeanen und großen Seen bis zu Regentropfen und Schneeflocken. Und zudem regt es die Zuhörer an, die wachsende Gefährdung von Qualität und Verfügbarkeit dieses lebenswichtigen Elements wahrzunehmen.
»Wir sind Wasser«
stellt Hélène Grimaud fest.
»Unser Körper besteht überwiegend aus Wasser, wie auch die Oberfläche unseres Planeten. Wasser ist der Baumeister der Natur, der die Gestalt der Erde formt; Wasser ist auch der Komponist der Natur, seine Tropfen, Ströme und Wellen schlagen den Urrhythmus der Welt. Das Thema dieses Albums ist das Wasser – als Quelle des Lebens und der Inspiration, als Molekül und als Metapher, als eine unwiderstehliche Kraft, die zugleich beständig und in fortwährender Veränderung ist.«
Ihre neue Aufnahme, so Grimaud, ergründet musikalische Darstellungen des Wassers in verschiedenen Formen und Zuständen. Jedes Stück entfaltet sich als Teil eines klanglichen »Stroms«, der als Mischung von klassischen und zeitgenössischen Kompositionen aufgebaut ist, in seiner Gesamtästhetik aber experimentellen Charakter hat.
»Die Idee, dieses Album aufzunehmen, entstand wirklich durch die Faszination, die das Wasser offenbar auf so viele Komponisten des 19. und 20. Jahrhunderts ausübte.«
Water, das der alle Gattungsgrenzen überschreitende Musiker Nitin Sawhney produzierte, bietet Werke von neun Komponisten. Das Album beginnt mit Berios Wasserklavier, es enthält Takemitsus wundervolles Rain Tree Sketch II, Faurés Barcarolle Nr. 5, Ravels leichtfüßiges Jeux d’eau, das sinnliche »Almería« aus dem zweiten Buch von Albéniz’ Iberia, Liszts Les Jeux d’eau à la Villa d’Este sowie die unbeschreibliche Schönheit von Janáčeks In den Nebeln. Den Abschluss bildet Debussys La cathédrale engloutie, das wehmütige musikalische Bild einer versunkenen Kathedrale. Diese zahllosen Reflexionen über die Eigenschaften des Wassers sind durch sieben »Überleitungen«, die von Nitin Sawhney neu komponiert, aufgenommen und produziert wurden, verbunden und in das Gesamtkonzept des Albums eingefügt.
Das Album ist eines von zwei faszinierenden Projekten, die durch Grimauds Wasser-Programm angeregt wurden. Ihre Musikauswahl stand auch im Mittelpunkt von tears become… streams become…, einer Installation, die der Turnerpreisträger Douglas Gordon für die Wade Thompson Drill Hall in der New Yorker Park Avenue Armory konzipierte. Das zehntägige Projekt im Dezember 2014 verband Elemente von bildender Kunst, Musik und Architektur: Gordon verwandelte die Halle, indem er den riesigen Fußboden allmählich mit tausenden Litern Wasser flutete und so den Eindruck einer, wie er es nannte, endlosen »Wasserfläche« schuf, die die gewölbte Decke spiegelte und so scheinbar den Innenraum verdoppelte, eine Illusion, die durch Gordons einfallsreiche Gestaltung der Beleuchtung noch verstärkt wurde. Jeden Abend, wenn der Flügel (durch sorgfältige Kontrolle der Wasser- und Lufttemperatur vor Feuchtigkeit bewahrt) zur Insel in diesem ständig größer werdenden See wurde, kam Grimaud, die hier weit außerhalb der üblichen Komfortzone von Konzertpianisten arbeitete, ohne viel Aufsehen in speziellem Outfit und Schuhwerk herein und spielte ihr technisch anspruchsvolles Programm in nahezu völliger Dunkelheit.
Gemeinsam schufen Gordon und Grimaud damit eine völlig neuartige, sehr ungewöhnliche Sinneserfahrung, deren Essenz jetzt in dem Album Water festgehalten ist. Die Aufnahme entstand live während der Installation tears become… streams become… in der Armory. Mit Sawhney hatte Grimaud bereits über Ideen in Verbindung mit ihrem Wasser-Programm gesprochen, und er war inspiriert, die »Überleitungen« zu komponieren und aufzunehmen, die die anderen Stücke zu einem geschlossenen Ganzen verbinden. »Musik und Wasser sind unaufhörlich im Fluss«, sagt Grimaud. »So hat auch die Musik ihren eigenen Vorwärtsdrang, von jedem Stück gibt es eine Überleitung zum nächsten von meinem Freund und Kollegen Nitin Sawhney.« Und sie fügt hinzu:
»Nitins Arbeit verknüpft wundervoll musikalische Kulturen und Traditionen aus aller Welt und betont die universelle Abhängigkeit des Menschen vom kostbarsten Rohstoff unseres Planeten. In seiner eigenen sensiblen Sprache hat er Übergänge zwischen den Stücken dieses Programms geschaffen und dabei kontrastierende poetische und philosophische Aspekte in ein einziges zusammenhängendes musikalisches Ökosystem verwoben.«
Nitin Sawhney wurde 1964 als Sohn indischer Eltern in London geboren. Zu seinem umfangreichen Œuvre, das die verschiedensten musikalischen Gattungen umfasst, gehören zehn Studio-Alben, preisgekrönte Film- und Bühnenmusiken, Stücke für das London Symphony Orchestra und das Royal Opera House, Covent Garden sowie Musik für Videospiele und TV-Werbespots. Zu seinen künstlerischen Partnern zählten unter anderem A. R. Rahman, Brian Eno, Sinéad O’Connor, Anoushka Shankar, Jeff Beck, Will Young, Joss Stone und der Cirque du Soleil.
Hélène Grimaud ist eine Musikerin mit einem weitreichenden spirituellen Hintergrund. Ihre Interpretationen fußen nicht zuletzt auf ihren Lebenserfahrungen außerhalb des Übungsraums. Sie engagiert sich für den Schutz der Natur und ist eine beredte Vertreterin der Tiefenökologie, eines ethischen Systems, dem es um den Erhalt der Umwelt geht, ungeachtet des Nutzens, den sie vielleicht für ihre menschlichen Bewohner hat. Die Nachfrage nach Wasser, die in diesem Jahrhundert durch das Anwachsen der Weltbevölkerung oder den Bedarf der Schwerindustrie stetig steigen wird, kann beispielhaft für die dringendsten humanitären Probleme unserer Zeit stehen. Water vereint Hélène Grimauds Leidenschaften – ihre Liebe zur Musik und ihr Engagement für die Natur:
»Die Stücke, die ich für dieses Programm ausgewählt habe, gehen über hübsche naturalistische Darstellungen der Natur hinaus«
und
»Bar jeder Sentimentalität bieten sie die tiefe Versenkung in die Eindrücke, Erinnerungen und Gefühle, die das Wasser bereithält.«
Ab sofort erste Tracks auf Amazon, Google und Spotify unter:
Spotify: https://open.spotify.com/track/1wkOa224XzyNry9S6MF6Zo
Deezer: http://www.deezer.com/album/11708220